Studien

Das Haferkorn und seine Bestandteile.

(1-3),(1-4)-Beta-D-Glucan ist ein wasserlöslicher pflanzlicher Ballaststoff, das auch Beta-Glucan genannt wird (ß-Glucan). Es kommt in den Zellwänden der Körner von Süssgräsern (Gramineae) vor, insbesondere beim Hafer. Hafer Beta-Glucan ist eine lineare, unverzweigte Polysaccharid-Kette, die aus ß-Glucopyranosyl-Einheiten besteht, welche entweder 1,3 (30%) oder 1,4 (70%) glykosidisch verbunden sind (Abbildung 1). Beta-Glucane gehören zur Gruppe der unverdaulichen Kohlenhydrate, zu der auch Nicht-Stärke Polysaccharide, resistente Stärke und Oligosaccharide gehören. Diese werden nicht vom Dünndarm aufgenommen, sondern im Dickdarm fermentiert und ganz oder teilweise in kurzkettige Fettsäuren umgewandelt.

Das Haferkorn und seine Bestandteile.
Abbildung 1

 

Beta-Glucan weist hohe Viskositäten mit Konzentrationen von bereits 1% auf, die in einem weiten pH-Bereich stabil bleiben. Molekülmasse und -konzentration haben jedoch grossen Einfluss auf das rheologische Verhalten von Beta-Glucanen in Lösungen und im Darmtrakt. Beta-Glucane aus Haferkleie haben eine höhere Viskosität als solche aus Haferkeimlingen (Wikstrom et al. 1994). Man vermutet, dass Beta-Glucan löslich sein muss und eine molekulare Masse zwischen 1000-3000 kDa haben muss, um physiologisch aktiv zu sein und dickflüssige Lösungen bilden zu können (Doublier & Wood 1995; Aman et al. 2004). Die Menge, Löslichkeit, Molekülmasse und Struktur von Beta-Glucan in unkontrolliert produzierten Lebensmitteln kann durch die verwendeten Rohstoffe, endogene Beta-Glukanaseaktivität, Verarbeitung und Lagerbedingungen beeinflusst werden (Beer et al. 1997; Wood 2007). Darüber hinaus verliert Hafer seine cholesterinsenkende Eigenschaft, wenn er mit Enzymen behandelt wird, die das Beta-Glucan zerstören (Shinnick & Marlett 1993).


 Youtube: Science & Oat beta-glucan & Oatwell at RSM Thomas M.S. Wolever


Zwei kürzlich durchgeführte Studien haben die Bedeutung der Molekülmasse für die Viskosität der Beta-Glucane und ihre cholesterinsenkende Eigenschaft direkt nachgewiesen. In der ersten wurden einige Haferkleie-Getreideprodukte, die alle etwa 3-4g  Beta-Glucan pro Portion enthielten, bei unterschiedlicher Temperatur und abweichenden Bedingungen hergestellt, so dass ihre Molekülmasse zwischen 251 und 1930 kDa schwankte. Die Viskosität wurde nach einer im Reagenzglas simulierten Verdauung gemessen. Sie nahm bei höherer Molekülmasse exponentiell zu. Der Unterschied zwischen den Produkten mit der niedrigsten und der höchsten Molekülmasse lag beim 20-fachen Wert (Tosh et al. 2010).

Daraufhin wurden die gleichen Produkte in einer grossen  klinischen Studie (Multicenter: Europa / Nordamerika / Australien) mit 345 Personen mit erhöhten Cholesterinspiegel getestet. Die Studienteilnehmer bekamen jeweils zwei Portionen verzehrfertige Frühstücksflocken zur täglichen Einnahme über vier Wochen. Sie konsumierten pro Tag 3g Hafer Beta-Glucan mit vier verschiedenen Molekülmassen, die sich um den 10-fachen Wert unterschieden. Die Getreideflocken mit der hohen (2210 kDa) und mittleren Molekülmasse (530 kDa) erreichten ähnliche Ergebnisse bei der Senkung des schlechten LDL-Cholesterins. Die Wirksamkeit sank jedoch um 50%, wenn die Molekülmasse bei nur 210 kDa lag (Wolever et al. 2010).

Die Studie stellte abschliessend fest, dass Haferprodukte, bei denen das Beta-Glucan eine Molekülmasse von etwa 2000 kDa hat, den grössten cholesterinsenkenden Effekt haben. Diese Ergebnisse erklären wahrscheinlich einige der Unterschiede, die bei der übergreifenden Analyse einiger cholesterinsenkender Wirkungen von Haferprodukten (Ripsin et al. 1992; Brown et al. 1999;  EFSA Journal 2010; 8(12):1885) festgestellt wurden. Die Molekülmasse einiger handelsüblicher Zubereitungen von Beta-Glucanen, deren Wirksamkeit bei der Senkung von schlechtem Cholesterin getestet wurden, lagen nämlich nur zwischen 40-80 kDa.

Cholesterin und Hafer Beta-Glucan-Viskosität

“Die vorgelegten Nachweise zeigen, dass die cholesterinsenkende Wirkung von Hafer Beta-Glucan von der erhöhten Viskosität im Dünndarm abhängen könnte. Durch sie wird die Wiederaufnahme von Gallensäuren reduziert, die Herstellung von Gallensäuren aus Cholesterin gefördert und die Konzentration des zirkulierenden schlechten Cholesterins (LDL) gesenkt.” EFSA Journal 2010; 8(12):1885

Blutzucker und Hafer Beta-Glucan-Viskosität

Hafer Beta-Glucan verlangsamen den Anstieg des Blutzuckerspiegels nach einer Mahlzeit und verzögern das Absinken auf die Werte vor der Essenseinnahme. Die Funktionsweise lässt sich folgendermassen beschreiben: Wird das Beta-Glucan in den löslichen Ballaststoffen des Hafers verdaut, bildet es ein Gel, das den Inhalt des Magens und des Dünndarms dickflüssiger werden lässt. Dadurch verlangsamt sich die Verdauung, womit sich die Aufnahme von Kohlenhydraten in den Blutkreislauf länger hinzieht und plötzliche Schwankungen des Blutzuckerspiegels ausbleiben.

Blutzucker und Hafer Beta-Glucan-Viskosität

Hafer Beta-Glucan verlangsamt den Anstieg des Blutzuckerspiegels nach einer Mahlzeit und verzögert das Absinken auf den Stand von vor dem Essen: 1 ohne Hafer Beta-Glucan | 2 mit Hafer Beta-Glucan

Der Blutzuckerwert bezeichnet die Glukose-Konzentration, also den gelösten Traubenzucker im Blut. Diese Zuckerform stellt die Energieversorgung der Zellen sicher. Unter Einwirkung von Insulin gelangt Glukose aus der Blutbahn in die Zelle. Diese gewinnt daraus in einer Kette von chemischen Reaktionen wertvolle Energie. Ohne das Hormon Insulin gelangt Glukose nicht in die Zellen und bleibt im Blut. Die Folge ist ein zu hoher Zuckerwert im Blut, während die Zellen dringend Glukose brauchen. Eine erhöhte Glukosekonzentration im Blut heißt “Überzucker” oder Hyperglykämie.

Nachweisliche Verminderung der glykämischen Reaktion nach dem Essen – Senkung des Zuckergehalts

Die Verminderung der glykämischen Reaktion nach dem Essen steht in engem Zusammenhang mit dem Kohlenhydratstoff- wechsel und einer Unempfindlichkeit gegen Insulin. Beides ist bei der Behandlung einer gestörten Glucosetoleranz wichtig. Dies ist oft bei Übergewicht der Fall. Um diesen Nutzen zu erzielen, muss ein Produkt mindestens 4g bioaktives Hafer Beta-Glucan pro 30g der mit der Mahlzeit eingenommenen Kohlenhydrate enthalten.

“Der den angegebenen Effekten zugrunde liegende Wirkmechanismus der Beta-Glucane aus Hafer ist zweifelsfrei nachgewiesen und hängt von der erhöhten Viskosität der aufgenommenen Nahrung und darin enthaltenen Beta-Glucane ab. Wenn die aufgenommene Nahrung im Dünndarm ankommt, verzögert eine hohe Viskosität die Aufnahme von Nährstoffen, darunter auch Glucose.” (EFSA Journal 2011;9(6):2207)

Verdauung und Hafer Beta-Glucan

Haferprodukte enthalten viele lösliche und unlösliche Ballaststoffe, was für eine gleichmässige Darmtätigkeit wichtig ist. Unlösliche Ballaststoffe haben eine schwammartige Struktur, können ein Vielfaches ihres eigenen Gewichts an Flüssigkeit aufnehmen.

Verbesserung der Darmtätigkeit zur Förderung einer gesunden Verdauung

Hafer enthält eine einzigartige Kombination von löslichen und unlöslichen Ballaststoffen. Diese fördern ein gesundes Darmsystem, das heisst eine verbesserte Verdauung und mehr Stuhlvolumen. Um diesen Nutzen zu erzielen, muss ein Produkt mindestens 6g Haferfasern (Balaststoffe) pro 100g bzw. 3g pro 100 kcal enthalten.


Quellen

  • Beer, M, Wood, P, et al. (1997). Effect of cooking and storage on the amount and molecular weight of (1-3)(1-4)-beta-D-glucan extracted from oat products by an in vitro digestion system. Cereal Chem 74: 705-709.
  • Beer, M, Wood, PJ, et al. (1997). Effects of cooking and storage on the amount and molecular weight of (1-3)(1-4)-beta-D-glucan extracted from oat products by an in vitro digestion system. Cereal Chem 74: 705-709.
  • Davidson, A (1999). The Oxford Companion to Food. Oxford, Oxford University Press.
  • Doublier, J and Wood, P (1995). Rheological properties of aqueous solutions of (1-3)(1-4)-beta-D-glucan from oat (Avena sativa L.). Cereal Chem 72: 335-340.
  • EFSA Journal 2010; 8(12):1885
  • Wikstrom, K, Lihdahl, L, et al. (1994). Rheological studies of water soluble (1-3)(1-4)-beta-D-glucans from milling fractions of oat. J Food Sci 59: 1077-1080.
  • Wolever, T, SM, T, et al. (2010). Physicochemical properties of oat beta-glucan influence its ability to reduce serum LDL cholesterol in humans: a randomized clinical trial. Am J Clin Nutr 92: 723-732.
  • Wood, P (2007). Cereal beta-glucans in diet and health. J Cereal Sci 46: 230-238.

Dokument der EFSA Referenzen: Art14 Opinion oat beta glucan (700kB)